Rede von Tom Adler auf der Montagsdemo gegen Stuttgart21 (Auszüge)
Liebe Freund*innen,
die Bahn legt es jetzt auf einen Streik der in der GDL organisierten Lokführer an.
Deren Forderung nach einem Tarifvertrag, der keinen Reallohnverzicht bringt, ist mehr als berechtigt. Die GDL fordert derzeit eine Entgelterhöhung von 3,2 Prozent und eine Coronabeihilfe von 600 Euro wie auch im TVöD-Abschluss 2020 vereinbart, zumal die Inflation inzwischen deutlich anzieht – schon im April gegenüber dem Vorjahr um über 2 Prozent.
Die Behauptung des Bahnvorstands, diese Forderungen seien vor dem Hintergrund der hohen Verluste der Bahn masslos, ist nicht haltbar.
Denn derselbe Bahnvorstand, der jetzt die produktiven Beschäftigten kurz halten will, hat allein in den letzten fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro für Beraterverträge ausgegeben und seit mehr als einem Jahrzehnt einen ständig wachsenden Wasserkopf aufgebaut. Und 2020 wurden auch die Boni für die meisten Manager weiter bezahlt – trotz der Milliardenverluste.
Dass die Deutsche Bahn seit der Umwandlung in eine AG einen Schuldenberg von 30 Milliarden Euro aufgebaut hat, hat nichts mit Löhnen und Gehältern, wenig mit Corona, aber sehr viel mit einer jahrzehntelangen Misswirtschaft, mit falschen Großprojekten und mit der Global-Player-Orientierung der Bahn zu tun.
Denn die DB AG entwickelt immer neue zerstörerische Großprojekte, die Milliarden Euro verschlingen und oft sogar auf Kapazitätsabbau hinauslaufen. In jedem Fall sind es überteuerte und unnötige Projekte. Stuttgart 21 ist dafür das bekannteste Beispiel.
Der seit Herbst 2020 offen konfrontative und provokative Kurs von Bahnvorstand und Politik gegen die GDL hat offenbar hochpolitische Hintergründe, die auch für uns als Stuttgart-21-Gegner*innen Bedeutung haben:
Die GDL hat in den vergangenen 15 Jahren mehrmals in Arbeitskämpfen bewiesen, dass sie konsequent für die Interessen der Bahnbeschäftigten eintritt.
Sie ist deshalb vom Vorstand der Deutschen Bahn, von den Unternehmerverbänden und von einem großen Teil der Medien mit einer wahren Hasskampagne überzogen worden. Positive Beispiele, dass kämpfen sich lohnt, darf es nicht geben. Wenn Arbeitskämpfe, wie der der GDL 2014/15, erfolgreich sind, dann wirkt das beispielhaft für die gesamte Gewerkschaftsbewegung. Deshalb soll jetzt an der GDL ein Exempel statuiert werden.
Dem Bahnvorstand, der Bundesregierung, den Unternehmerverbänden wird es bei der erwartbaren Kampagne gegen die GDL nicht in erster Linie um die konkrete Tarifforderung gehen, sondern darum, eine hartnäckige, kämpferische Gewerkschaft mit Hilfe des „Tarifeinheitsgesetzes“ weitgehend auszuschalten.
Ein Erfolg der GDL in diesem absehbaren Arbeitskampf wäre ein Erfolg und Ermutigung für alle, denen demnächst die Krisenlasten aufgebürdet werden sollen – und damit auch eine Barriere gegen das Abrutschen der Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft nach rechts.
Deshalb, liebe Freund*innen, sollten wir Stuttgart-21-Gegner*innen aktiv werden, um den streikenden Lokführern, Schaffnern und Stellwerkern den Rücken zu stärken.
Liebe Freund*innen,
die GDL fordert wie wir eine Konzentration aller Bahnaktivitäten auf den Bahnbereich und den Bahnverkehr im Inland – und ein Ende der Auslandsgeschäfte!
Im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn ist die GDL die einzige Kraft, die das Weiterbauen von Stuttgart 21 nicht unterstützt!
Und wir Stuttgart-21-Gegner*innen verstehen nicht nur Bahnhof, schon gar nicht nur Stuttgart Hauptbahnhof, sondern wir verstehen Zusammenhänge, wo welche sind!
Deshalb: Solidarität mit der GDL!
Oben bleiben!
Wir alle leiden unter der Sparpolitik des Bahnvorstands
Zwischenruf eines langjährigen Lokführers und ebenso langjährigen GDL-Mitglieds
I n den letzten Jahren wurden weitere Sparzwänge des Bahnvorstandes bis ganz weit nach unten zu den Lokführern durchgedrückt.
Das Dienstschichtenprogramm „Cars Carmen“ – was auch immer das ausgeschrieben bedeuten mag – wurde eingeführt, um das gesamte Fahrpersonal optimal wirtschaftlich auszubeuten oder auszunutzen. Bis auf die letzte Minute wurden maximal lange Dienstzeiten geplant – ohne Berücksichtigung der tatsächlichen betrieblichen Abläufe und fernab von dem, was ein Eisenbahnbetrieb für Reservekapazitäten und Bereitschaftspersonal braucht.
Alles für das Wohl des Vorstands und der direkt darunter befindlichen Führungskräfte, die sich allesamt die Gehälter nach Gutdünken erhöht haben, dem kleinen Betriebseisenbahner, Lokführer, Zugführer, Zugbegleiter und Bordgastronomen aber nichts gönnen.
In der Zeit der Pandemie wurde der Betrieb völlig überdimensioniert weiterbetrieben, gerade so als wäre nichts! – auf dem Rücken aller Betriebseisenbahner. In dieser Zeit hätten durch Stundenabbau Berge von Überstunden abgebaut werden können.
In dieser Zeit, in der sich niemand aus dem Haus getraut hat und erst recht niemand mit Fernverkehrszügen gefahren ist, hätte jedes vernünftige Unternehmen Zugfahrten auf das Nötigste reduziert.
Jetzt aber, nachdem sich 35 Milliarden Euro Schulden angehäuft haben, hält die DB AG beim Bund die Hand auf und tut so, als wäre kein Geld mehr für die Beschäftigten da, um ihnen Lohnerhöhungen zu bezahlen.
Ich hoffe daher auch diesmal auf eine breite Akzeptanz der Kampfmaßnahmen der GDL in der Öffentlichkeit – und dass auch dieser Streik im August als gerechtfertigt angesehen wird.
Schließlich waren es wir Eisenbahner, die tagtäglich die Grundversorgung und die Daseinsvorsorge sichergestellt haben, während ein Homeoffice wie das, in dem sich die gesamte Verwaltung und der Bahnvorstand aufgehalten haben, für uns völlig ausgeschlossen wurde.
Klimagerecht geht (nur) mit Umverteilung
Sabine Leidig
Wenn Beschäftigte im ÖPNV oder bei der Bahn für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung streiken, dann ist der Ärger oft groß. Aber das Ärgernis sitzt im Verkehrsministerium und in den Chefetagen. Nicht die Menschen, die Züge und Busse durchs Land fahren oder Fahrgäste begleiten, sind das Problem. Im Gegenteil. Ohne diese Arbeit bleibt vieles auf der Strecke: die Mobilität für alle und Klimaschutz im Verkehr. Dafür braucht es mehr! Mehr Anerkennung und Unterstützung aus der Gesellschaft und vor allem mehr Geld und Investitionen vom Staat.
Das wäre eigentlich gar nicht schwer, denn Geld ist genug da. Aber noch immer werden viele Milliarden Euro für tausende weitere Autobahnkilometer verplant – auf denen dann noch mehr Autos und Lastwagen rollen sollen. Noch mehr Lärm und noch mehr Umweltzerstörung. Noch immer werden Flugverkehr und Dieseltreibstoff, Autobesitz und Dienstwagen staatlich gefördert.
Damit muss endlich Schluss sein! Die lodernden Brände, die bedrohlichen Unwetter, die steigenden Fluten sind nicht die Vorboten der Klimakrise, sondern die Folge. Wir sind mittendrin. Klimabewegung, Gewerkschaften, Linke und Ökobewegte, Kinder, Eltern und Großeltern müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die wahnsinnige Wachstumsmaschine endlich gebremst wird. Kein Euro mehr für fossilen Verkehr!
Wir brauchen das Geld für sozial und ökologisch gerechte Elektromobilität – auf der Schiene!
Für mehr und bessere Bahnverbindungen im ganzen Land; für mehr und bessere Arbeitsplätze für Menschen die uns umweltverträglich transportieren. Ihnen gehört Solidarität
Sabine Leidig, MdB Die LINKE (Verkehrspolitik) und Autorin des Buches LINKSVERKEHR, oekom verlag